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Zu „Der Prozess“:

Absolventen bringen Kafkas "Der Prozess" auf die Bühne

Siegburg · Gefangen in Absurdistan: Mit reduziertem Bühnenbild, Lichteffekten, Filmeinspielungen und skurrilen Kostümen bringen Nachwuchsschauspieler ein temporeiches Stück zur Aufführung. Wir haben die Generalprobe besucht.

Kann man einen Roman, zudem ein Fragment, als Theaterstück auf die Bühne bringen? Die Absolventen der Schauspielschule Siegburg haben das unter der Regie des Bonner Regisseurs und Filmemachers Volker Maria Engel gewagt. Mit Erfolg. Ausgesucht haben sie dafür den Roman „Der Prozess“ von Franz Kafka. Das Werk Kafkas beginnt mit den Worten: „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Trotz seiner Festnahme darf sich K. noch frei bewegen und weiter seiner Arbeit nachgehen. Vergeblich versucht er herauszufinden, weshalb er angeklagt wurde und wie er sich verteidigen könnte. Am Vorabend seines 31. Geburtstags wird Josef K. von zwei Herren abgeholt und in einem Steinbruch mit einem Fleischermesser erstochen. Soweit kurz der Inhalt.

Das rund neunzigminütige Theaterstück zeigt, wie der Protagonist auf der Suche nach seiner Schuld und gleichermaßen auf der Flucht vor seiner Schuld im labyrinthischen Gerichtswesen herumirrt, sich an einer absurden Bürokratie abarbeitet, von Affäre zu Affäre schlittert und am Ende zermürbt und entkräftet aufgibt. In einer rasanten Szenenabfolge voller Dynamik, Dramatik, düster und kryptisch, aber auch mit schwarzem Humor, nehmen die Akteure den Zuschauer mit auf eine aberwitzige Reise nach Absurdistan.

Um Kafkas „Sprach-Sound und -Groove auf die Spur zu kommen“, spielt das ganze Ensemble den Angeklagten Josef, so der Regisseur. Es spiele mit allem, was es hat – schauspielerisch, tänzerisch, musikalisch – um die Irrsinnsspirale, von der K. angezogen wird, sichtbar, hörbar und spürbar zu machen. Das Stück vermittelt dem Publikum, wie es sich anfühlt „aus einem Albtraum nicht mehr herauszukommen“, so Engels.Und jeder könnte zu K. werden. Jeder erlebe sich in bestimmten Situation als K.: ohnmächtig, irritiert, wütend und rebellisch. Die Suche nach der Schuld zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Stück. Im Roman bleibt diese Frage unbeantwortet, der Autor überlässt die Interpretation dem Leser, der auch in der Vorlage Kafkas immer auch nur auf dem Wissensstand von K. ist. Das Ensemble hat „diese Lücke gefüllt“, erklärt Engel, der aber natürlich nicht verrät, wie.

Engel ist bewusst, dass viele Leser bei Kafkas Roman „aussteigen, weil sie ihn nicht verstehen“ und sieht in dem „sinnlichen Zugang“ durch das Theater und seine Unterhaltungselemente die Chance, dass es „einen Zugang zum Lesen“ von Kafka schafft. Zum Ziel des Theaterstücks sagt er: „Bei all diesen tiefschürfenden Fragen darf man auch nicht vergessen, dass Kafka ein junger Mann mit Flausen, Testosteron, Amouren und jeder Menge Witz war. Wir wollen einen leichten, schwarzhumorigen Zugang zu diesem jungen Kafka ermöglichen.“ Sein Appell laute: "Keine Angst vor Kafka."

Als bekennender Kafka-Fan wünscht sich Engel, dass der Zuschauer die Aufführung mit dem Vorsatz verlässt: „Morgen besorge ich mir das Reclam-Heft.“ Die einzelnen Ensemblemitglieder haben Gelegenheit, alle Register ihres Könnens zu ziehen und nutzen die Chance mit Bravour. Ob schauspielerisch oder musikalisch. Denn auch die Musik und Liedtexte liefern sie selbst. Ein reduziertes Bühnenbild, effektvoller Einsatz von Lichttechnik sowie Filmeinspielungen und teils schräge und skurrile Kostüme bilden den perfekten Rahmen für ein temporeiches Stück, das bei allem Ernst sogar Komik einbezieht.

, Paul Kieras, General-Anzeiger Bonn am
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