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Zu „Das große Massakerspiel“:

Tolle Groteske im Schaum

Siegburg. Nein, er stand nicht mit auf der Bühne. Bürgermeister Franz Huhn war gleichwohl Teil von Eugène Ionescos "Das große Massaker-Spiel" in der Studiobühne unter der Regie von René Böttcher. In einer Video-Botschaft berichtete er von dem schrecklichen Geschehen, das Zehntausende von Toten fordere. Eine Epidemie raffe die Menschen dahin. "Siegburg ist von Soldaten umstellt", so Huhn im ernsten Duktus.

Während er von dem furchtbaren Geschehen berichtet, fließt ein steter Schaumfluss von der Decke. Mit Planen ist ein Becken abgesteckt, in das die zehn Schauspieler über zwei Leitern steigen. Sie spazieren auf und ab, scheinbar zufällig kommen sie zu Plaudereien zusammen. Hin und wieder wendet sich Cynthia Oblas an das Publikum: "In Ruhe dem Schauspiel zusehen zu können ohne zu leiden." Im Hintergrund betet Huhn weiter seinen Text von Toten im Minutentakt. Spürbar ist, dass alle überwältigt sind vom "Sterben ohne lebende Ursachen".

Es sind teils absurde Textschnipsel, die sich die Darsteller zuwerfen. "Guacamole find' ich sehr, sehr geil", sagt die eine. Kurz darauf antwortet eine andere: "Elf Leichen in fünf Minuten, wie haben die sich so schnell vermehrt?" Vermutlich maschinell, das gehe ja heutzutage, mutmaßt eine Dritte. Fast bis zum Hals stehen die Schauspieler in den etwa 40 000 Litern Schaum. In einer Reihe grimassieren sie, verleihen dem Wahnsinn, der um sie tobt, ein Gesicht. Einer nach dem anderen kippen sie um, nur wenig später tauchen sie in neuen Szenen aus der weißen Ursuppe wieder auf.

In 16 Bildern machen sie sich auf die Suche nach den Ursachen. Sind es die Armen, weil sie nicht hygienisch genug leben? Oder Unwissenheit, wie die Wissenschaftler in der beeindruckenden Ärzteszene spekulieren. Dort wird die intellektuelle Diskussionskultur vollends ins Absurde gezogen. "Menschen, die sterben, sind schlechte Bürger." Warum nicht einfach die Krankheit ignorieren, um dann eben nicht angesteckt zu werden. Und wieder sinken die Darsteller zu Boden in den Schaum, verschwinden für Augenblicke. Der Ausbrecher aus dem Gefängnis kommt ums Leben, der, der bleibt, überlebt.

"My way" singt Judith Loeffen in einer wunderschönen, sanften Fassung mit glockenklarer Stimme, aber gibt es ihn in dieser Ausnahmesituation überhaupt? Nach wildem Treiben, nach Schreien und Zuckungen wirkt die Sonnenuntergangsszene mit dem Dialog über das Sterben und die Liebe wie eine Oase.

Das Ensemble setzt das Groteske mit vollem Körpereinsatz und Spielfreude um. Es ist harte Arbeit, nach zehn Minuten sind die weißen Bläschen erkaltet, die Kleider durchweicht, das Make-up verlaufen. Der Schaum ist ein großartiger Regieeinfall, schafft eine beständige Verbindung der scheinbar wahllos interagierenden Personen. Absurd auch das Ende, die Krankheit scheint besiegt, in der Szene toller Fröhlichkeit stehen die Darsteller eine Minute mit versteinerten Gesichtern - verdienter Riesenapplaus für einen ungewöhnlichen Theaterabend.

, Ralf Rohrmoser-von Glasow, Kölnische Rundschau am
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