Presse

zurück

Zu „Der Selbstmörder“:

Gutes Gespür für Doppelbödigkeit

Atemberaubend rasantes Sprechtempo, bitter-komische Dialoge und ungebrochene Bühnenpräsenz. Leicht haben es sich die jungen Schauspieler der Siegburger Studiobühne nicht gemacht mit ihrer Abschlusspräsentation. In der Komödie „Der Selbstmörder“ des russischen Schriftstellers, Drehbuchautors und Regisseurs Nikolai Erdmann geht es im wahrsten Sinn um die Wurst im skurrilsten Sinn, und eben dies stellt alle Darsteller auch oder gerade vor große körperliche Anstrengungen.

Wie passt eine so große Satire-Komödie, für die ihr Autor verhaftet wurde, zu einer Studiobühne? Eine Stunde kürzte Regisseurin Evy Schubert aus dem Stück heraus und verdichtete den Stoff, besetzte sieben von ursprünglich 17 Rollen doppelt. „Toll, wie die sich reingehängt haben“, lobte die Berlinerin das junge Siegburger Ensemble. Fünf Wochen und jeweils vier Stunden pro Tag arbeitete, feilte und probte die Truppe.

Ideale Besetzung gefunden

Wer sich die Szenen nur kurz anschaut, der erahnt, welche hohen Anforderungen „Der Selbstmörder“ an die Akteure stellt: sensibles Gespür für Doppelbödigkeit, Situationskomik ebenso wie Verzweiflung, Hysterie, Trauer und Resignation. In Lukas Maurer fand die Berlinerin eine ideale Besetzung für die zentrale Figur Semën Semënovic Podsekalnikov, einen russischen Arbeitslosen, der unversehens aufmarschiert und sein Recht auf ein menschenwürdiges Leben einfordert. „Erinnern Sie sich doch mal, wie das früher gemacht wurde. Früher hatten die Leute eine Idee und wollten dafür sterben“, schleudert der Antiheld dem Publikum entgegen, das sich unweigerlich hineingezogen fühlt ins Bühnengeschehen. „Heute haben die Menschen, die sterben wollen, keine Idee, und die Menschen, die eine Idee haben, wollen nicht sterben. Dagegen muss man kämpfen, mehr als je zuvor brauchen wir ideologische Leichen.“ Großartige Mimik: fast akrobatisch steuert Marie Illies ihre Gesichtsmuskulatur, sprüht in der Rolle der Marja ebenso vor absurder Komik wie Vanessa Stoll, Lioba Pinn, Friederike Baldin sowie Jan Meier und Ryniel Ostermann. Allesamt gehören sie zu den neugewonnenen „Freunden“ der Hauptfigur, befeuern dessen neugewonnenes Selbstwertgefühl als Märtyrer. Meisterlich gelang es den Talenten die Inszenierung der schweren Kost, keine Spur von Verflachung zum kleinbürgerlichen Schwank.

, aha, Kölner Stadt-Anzeiger am
zurück