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Zu „Zwischen Lackschuh & Lippenstift“:

Worte von obszön bis lyrisch

Siegburg. Die "erotische Lesung mit musikalischen Streicheleinheiten" machte Lust. Auf jeden Fall aufs Zuhören und Zuschauen. Wie immer seit 2006, wenn Theaterleiter René Böttcher in seine Studiobühne bittet zu "Zwischen Lackschuh und Lippenstift". So gab es auch in der 27. Auflage der rasanten Abfolge aus Frechem, Frivolem, Schlüpfrigem, Tabulosem und Laszivem keine freien Stühle mehr. 70 Minuten lang knisterte es wohltuend offen, wobei sich zwischen die herzhaften Lacher einige Male Kichern mischte.

Neuer Blickwinkel

Vielleicht ein Zeichen, dass sich bei einigen Besuchern neue Blickwinkel aufs Thema Nummer Eins eröffnet hatten oder ein neuer Terminus das Erotik-Vokabular bereichert hat. Das spür- und hörbar erfahrene und mimisch ausgezeichnete Ensemble erreichte dies, ohne nur annähernd an Bauch, Busen, Po zu zeigen. Dafür gab es umso mehr an Worten, von obszön bis lyrisch. "Allein der Vortrag macht des Redners Glück", erkannte ja bereits Fausts Famulus Wagner, der mit Zitatteil zwei wahrscheinlich einigen Gästen das Wort redete: "Ich fühl' es wohl, noch bin ich weit zurück." Die Besucher auf den Stand der Technik brachte Tobias M. Walter mit seinen fiktiven Partnern Peter und Melissa anhand der Quality Sex App, die vom Beischlaf-Standardvertrag über einen Katalog mit Sexualpraktiken bis zur Kalorien-Verbrauchsanzeige und Performance-Bewertung alles abdeckt, was die Liebe erleichtert.

Rhetorische Gegensätze

Böttcher höchstselbst setzte mit eigenen Gedichten und Shakespeare-Sonetten auf mächtige rhetorische Gegensätze und glänzte mit eindringlichem Duktus. Viele grandiose Momente hatte Hauptdarstellerin Maike Mielewski, etwa als sie den Geruch als Mittel zur Stimulation entdeckt oder als frigide Lilith. Die versetzt das Geständnis des Ehemanns, er habe ihr heimlich die Spanische Fliege verabreicht, in einen Gefühlstaumel, den die Schauspielerin mit furiosen mimischen Wendungen zwischen Ekstase und Frust illustrierte. Bejubelt wurde Tobias M. Walter für sein Lied vom Vampir, für den es "nichts Gutes, außer den Geschmack des Blutes" gibt.

Wie oft am Abend erwies sich Martin Eng als versierter Begleiter am Klavier, für den Vampir bemühte er rassige Samba. Charisse Kimsing und Reynies Ostermann punkteten mit ausdrucksstarken Tänzen und Vanessa Stoll gleich mehrfach mit feiner Gesangstimme.

, PETER LORBER, Kölner Stadt-Anzeiger am
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