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Zu „Der Gott des Gemetzels“:

Abgründe voller Gift und Galle

Ferdinand hat Bruno auf dem Schulhof einen Zahn ausgeschlagen. Das passiere schon mal und sei gar nicht so schlimm, sind sich die Elternpaare scheinbar einig: Ferdinands Eltern Ada und Anette, die Ada gern mit Wau-wau anredet, sowie Brunos Eltern Veronika und Michael, die seit einer Indienreise nicht mehr Darling, sondern Darjeeling als Kosenamen verwenden. Nach 80 Minuten indes bleibt ein Scherbenhaufen zurück im "Gott des Gemetzels", der jüngsten Produktion der Siegburger Studiobühne. Dessen Profi-Ensemble Maike Mielewski (Ada), Vanessa Stoll (Anette), Julie Fees (Veronika) und Christoph Wolff (Michael) gewährt Blicke in tiefste Abgründe eines von Gift und Galle zersetzten Miteinanders.

Superlative sind angebracht für die von Regisseur Bardia Rousta fernsehreif in Szene gesetzte tiefschwarze Komödie von Yasmina Reza. So mimt Mielewski die Syndika eines Pharmaunternehmens. Dabei spult sie ohne Hänger komplizierteste juristische und kaufmännische Fachausdrücke in einem dreist-zynischen Duktus ab, der ihre Protagonistin sicherlich in höchste Kreise der Wirtschaftskriminalität gespült hätte.

Mit einer nicht zu überbietenden Vielfalt an Mienenspiel agiert Fees als eine vom Erfolg träumende Schriftstellerin, die das schmeichelnd Anbiedernde ebenso beherrscht wie das ätzend Gehässige. Ihr ist es vorbehalten, im Finale furioso, welches zunächst in ein Finale mortale zu münden scheint, das schlicht gestaltete Bühnenbild im Wutanfall zu zerlegen. Vanessa Stoll alias Anette ist die von Ehefrau Ada ob deren Vieltelefoniererei Gestresste, die zwar geringschätzig sein kann und die Nase hoch trägt, sich aber ab einer gewissen Eskalationsstufe übergeben muss.

Raffinierter Spannungsbogen

Vierter im Bunde ist Christoph Wolff als Brunos Vater, der zwar den Unterschied zwischen Druck- und Zugtoilettenspülung kennt, es ansonsten jeder Recht machen will, um ihr, einschließlich Ehefrau, umgehend in den Rücken zu fallen. Er darf, welch schöne Arabeske, mit "Ich komme wieder" das wohl markanteste Drei-Wörter-Zitat der Filmgeschichte in die rasenden Dialoge einflechten.

Raffiniert baut Yasmina Reza den Spannungsbogen auf, und der Zuschauer möchte gern Brunos Eltern warnen, nicht mit zu schnellen Zugeständnissen in die Falle laufen. Hurtig erklimmen die Protagonisten die Stufen der Hasstiraden und des gegenseitigen Bloßstellens, was allenfalls durch Michaels simple Weltsicht und eine Zwischenfrage wie "Warum ist Linzertorte eine Torte?" kurz abgebremst wird.

Als Vanessa sich ausgerechnet auf die wertvolle Kamasutra-Sonderedition übergibt, ahnt man, dass es tödlich enden könnte. Als jeder meint, jetzt wird der Revolver gezogen, schreitet Veronika als Rambo zur Tat und verhilft dem Requisiten-Team zu einer Sonderschicht.

Zum großen Kino an diesem Abend gehören assoziierende Lieder wie "Schön ist es, auf der Welt zu sein", "Gute Nacht, Freunde" oder "Hurra, wir leben noch", die ein weiteres großes Talent des Quartetts offenbaren.

, Peter Lorber, Kölner Stadt-Anzeiger am
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