zurückZu „Dantons Tod“:
Revolution ist aktuell auch nach 200 Jahren
SIEGBURG. Einen Vorhang hat die Studiobühne nicht, und deswegen wird es erst einmal dunkel, bevor das Stück anfängt. "Just a perfect day" von Lou Reed dudelt da aus dem Off und man könnte sich wohlfühlen, könnte sich freuen an dem nostalgischen 70er-Jahre-Song, flimmerten da nicht gleichzeitig diese Bilder über die Leinwand. Erschreckend aktuelle Aufnahmen von erschreckend gewalttätigen Auseinandersetzungen - martialisch aussehende Soldaten, Wasserwerfer, schreiende Demonstranten aus Berlin, aus Hamburg, aus Frankreich.
Mit dieser Einführungsszenerie macht Regisseur Bardia Rousta gleich zwei Dinge klar: Das Stück, das er inszeniert hat, "Dantons Tod" ist kein Wohlfühlstück; nichts zum Lachen, zum Fallenlassen jedenfalls. Und: Der vor beinahe 200 Jahren entstandene Text von Georg Büchner hat für Rousta hohe Aktualität.
Welches ist die richtige Revolution, wie radikal muss gedacht, wie kompromisslos gehandelt werden? Darüber streiten sich in Büchners Stück Danton und Robespierre mit ihren Anhängern. "Wo die Notwehr aufhört, fängt der Mord an", das ist ein Schlüsselsatz Dantons, doch Robespierre kontert: "Die soziale Revolution ist noch nicht fertig; wer eine Revolution zur Hälfte vollendet, gräbt sich selbst sein Grab." Arash Nayebbandi als Danton vertritt seinen Überdruss, seine Gewissensqualen nach den Septembermorden mit großer Leidenschaft. Intensiv, vielleicht zu sehr, agiert der junge Schauspieler, Erstsemester, die Verzweiflung und Selbstzerfleischung aus, sehr klar, mit großer Bühnenpräsenz gibt Jonas Herkenhoff Robespierres Blutrausch fast kalte Konturen.
Büchners Sätze, ein jeder von ihnen ein Kunstwerk, lassen sich nicht leicht sagen. Spürbar tief eingelassen auf diesen Text haben sich auch Judith Loeffen als Dantons Frau, Franka Fischer, die die Lucile spielt, Christian Reinecke als Collot d'Herbois, Marana Hartock in der Rolle des Saint Just, Robin Smets als Philippeau und - mit großer Einfühlsamkeit - Camille, die Weggefährtin Dantons , gespielt von Marian Hentschel.
"Ein tolles Ensemble", lobt Regisseur Rousta die durchweg junge Riege.Mit der er immer wieder den Bogen in die Gegenwart schlägt. Immer wieder spiegelt er die Grausamkeit der französischen Revolution vergangener Zeiten mit seiner aktuellen Filmprojektion zu verhangenen Musiktönen des Arvo Pärt. "Wir leben in einer Zeit in der das Kapital entscheidet wer, wie, wann und wo leben darf, produktiv ist", erklärt Bardia Rousta schon in seiner Einführung , "eine Zeit, in der die Politik vorgibt eine Demokratie zu sein und die Menschen in der Illusion leben, die Wahl zu haben."