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Zu „Antigone“:

Dramatik um Moral und Macht

Siegburg. Eine schlanke Gestalt schreitet hinein in den Bühnenraum. Schwer sackt sie zu Boden und versinkt in einem Meer aus weißen Styroporkügelchen, nur ihr blasses Gesicht ist noch frei. Antigone heißt die junge Frau, die mit ihren Rastazöpfchen und im Batikkleid aussieht, als sei sie aus den wilden 68ern in die Gegenwart gereist.

Mit eindeutigen Bezügen zur Gegenwart inszeniert Regisseur René Böttcher an der Studiobühne Siegburg Sophokles Antigone. „Menschen und Regierungen sind komisch“, so Böttcher am Rand der Premiere, „nach Elektra und Agamemnon ergab sich das.“

Böttcher blieb bei der Geschichte aus der Feder des Griechen, überhöht kräftig bis hin zur dramatischen Komödie um Moral und Macht: Die kämpferische Antigone, die Rebellin, begräbt den verfluchten Polyneikes und verstößt so gegen geltendes Recht. Bis zu ihrem Tod nimmt sie keine Hilfe an, als Schwester fühlt sie sich der Humanität verpflichtet und stellt sich über den königlichen Willen. Klar und unbeirrt geht sie diesen Weg.

Böttcher gelang eine poetische, aber vor allem urkomische Version der Geschichte, die mehr als 2400 Jahre nach ihrer Uraufführung nichts an Bedeutung verloren hat. Die Aktualität beschreibt der Theaterchef deutlich, Böttcher und sein Ensemble üben bewusste Gegenwartskritik. „Wir beobachten Angela Merkel und die BND-Affäre, zwei Jahre lang ist nichts passiert, was wir sehen ist eine gelähmte, absurde Gesellschaft.“

Krönchen auf dem Bauhelm

Köstlich urkomisch tritt Kreon auf, das goldene Krönchen auf dem grünen Bauhelm schaukelt hin und her, der Potentat lässt sich vom Volk Thebens feiern wie ein Rockstar. Köstlich auch der Überbringer der schlechten Nachricht, wie er hüpft, sich windet und verrenkt um dem Tod zu entgehen. Grandios wirkt die lautmalerische Originalsprache in kämpferischen Dialogen zwischen Antigone und Ismene, die im goldenen Bikini und mit dunkler Sonnenbrille daherkommt, an die Richtigkeit und Recht und Regeln glaubt. Originell: Wirbelwind Ismene und vergräbt ihren Kopf in der weißen Masse und verschließt sich dem Konflikt der Schwester.

Schließlich zeigt die moderne Version einen starken Chor. Das mit Eselsmasken garnierte Volk symbolisiert die devoten Mitläufer und tatsächlich kriechen die Schauspieler auf dem Boden dem Potentaten hinterher. Auch Kreon, der antike Monster-König sorgt in der modernen Inszenierung des griechischen Dramas für starke Bilder. Ein Bauhelm schaukelt auf seinem Kopf, die goldene Krone darauf hält sich tapfer, im Glitzeranzug löst er Hysterie aus, das Volk feiert ihn frenetisch wie einen Popstar.

Dass dem Theater ein Experiment gelungen ist, alle Schauspieler überzeugend und mitreißend spielten, zeigte die begeisterte Reaktion des Publikums.

Der pathos- und humorpralle Abend der Siegburger Studiobühne ist das nächste Mal am 6. Juni wieder zu sehen.

, Andrea Hauser, Rhein-Sieg Rundschau am
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