zurückZu „Liebe Satt“:
Lieder zwischen „Fiasko“ und „Da Da Da“
Siegburg Ein ungewöhnlicher Abend mit Theaterleiter René Böttcher: Fördervereins-Mitglieder bekommen einen spannenden Werkstatt-Einblick der Studiobühne Siegburg.
Der Bleistift in der Hand, die angetrunkene Flasche auf dem Flügel und das zerknitterte Skizzenblatt voller Notizen auf dem Notenpult gehörten nicht zu den Requisiten, sondern waren eher Werkzeuge aus der Künstlerwerkstatt. Mit ihnen übertrug sich die Proben-Atmosphäre schnell auf die nur vierzehn Teilnehmer einer offenen Probe, zu der der Siegburger Theaterleiter René Böttcher (Gesang und Kontrabass), sein Begleiter am Klavier Martin Eng und der Schlagzeuger David Lenz (auch Cajon und Kazoo) am Freitagabend eingeladen hatten. Präsentiert wurde nichts fertig Einstudiertes. Gezeigt wurde eine Art Wegmarke, die auf die eigentliche Premiere in drei Wochen hinwies. Mit dem Blick auf den musikalischen Zwischenstand gewährten die Künstler ihren Fördervereins-Mitgliedern nun einen spannenden Werkstatt-Einblick.
Rotes Licht gehörte in einem Programm über die Liebe natürlich dazu. Doch es mischte sich - wie die Texte - mit Grün- und Blautönen. Das Trio tauchte ein in dieses Licht und in die Texte von Brecht, Konstantin Wecker, Heinz Rudolf Kunze oder den Ärzten. Als Sänger intonierte Böttcher mal im klassischen Moritatenstil, es wurde aber auch chansonhaft gesprochen, geschrien und sanft gesungen. Weitsichtig und anpassungsfähig begleiteten ihn dabei Martin Eng am Piano und David Lenz am Schlagzeug.
Das Publikum erlebte die Drei in der Enge der Studiobühne, wie sie über Tempo und Betonung diskutierten und für einen Diskurs über Ausdruck und Akkorde den Platz wechselten. Man nahm Anteil, genoss den Blick ins Innere des Programms und warf auch schon mal einen eigenen Vorschlag aus dem Off ins Licht der Bühne: „Langsamer klingt es vielleicht schöner.“ Der Ball wurde aufgenommen, festgehalten als ein Stichwort auf dem Skizzenblatt.
Noch gebe es keinen Anspruch auf Vollständigkeit, die Lieder seien noch nicht zu Ende geprobt und selbst die Setlist stünde noch nicht fest, verriet Böttcher, der die Motive zu Beginn umriss. Entstanden sei die Ausrichtung auf das Thema „Liebe“ aus einer Notsituation. Irgendwann inmitten der Pandemie seien die drei Künstler auf die Idee gekommen, ein Liebeslieder-Programm zu machen - ausgerechnet zu einer Zeit, als die Hoffnungslosigkeit für die Ausübung von Kunst vor Publikum am größten gewesen sei und niemand gewusst habe, wie lange der Lockdown und seine Folgen dem deutschen Theaterbetrieb noch nachhängen würden.
„Uns war aber klar, dass wir als Künstler auch den Auftrag haben, zu unterhalten“, sagte Böttcher in einem fast entschuldigenden Ton zur Rechtfertigung seiner Liebeslieder, die sich alles andere als Schnulzen oder zum oberflächlichen Verzehr geeignet zeigten. Die Lieder suchen nach Erklärungen für das Unerklärliche. Etwa beim Stammeln der Hilflosigkeit eines Verliebten. Dann packte Böttcher seine ganze Schauspielkunst in die Zeilen des hoffnungslos Verlorenen. Dieser besang sein persönliches „Fiasko“ („Die Ärzte“), denn er sei angesichts der Liebesbegegnung „normalerweise“ anders.
Ohne Stammeln und scheinbar emotionslos ging es offensichtlich Anfang der 80er Stephan Remmler und der Gruppe Trio. Mit ihrem apathisch-gleichgültigen „Da Da Da – Du liebst mich nicht, ich lieb dich nicht“ landete die Gruppe mitten auf dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle einen Hit. René Böttcher entlockte dem Song nun ungehörte Tiefen, indem er minimalistische, aber denkwürdige Veränderungen ans Tageslicht brachte: „Du liebst dich nicht“ und „Ich lieb mich nicht“.